Motion betreffend sofortige Sistierung der neuen Absenzenregelung an der Oberstufe der Volksschule Aargau
Der Regierungsrat wird eingeladen, vor Ablauf des 1. Schulhalbjahrs 2020/21 die neu eingeführte Änderung der Absenzenregelung zu sistieren bzw. aufzuheben. Es sei auf das Ausweisen von entschuldigten Absenzen im Zwischenbericht wie auch im Jahreszeugnis der Oberstufe zu verzichten.
Laut Kommunikation des Departements Bildung Kultur und Sport (BKS) erhofft sich der Regierungsrat von der Ausweisung der entschuldigten Absenzen mehr Chancengerechtigkeit, da «Eltern bei selbst verschuldeten oder unbegründeten Absenzen ihrer Kinder im Nachhinein einen Grund konstruierten und die Absenz schriftlich entschuldigten». Damit seien Schüler benachteiligt, deren Eltern nicht bereit sind, eine Entschuldigung oder Begründung zu schreiben. Es wäre zu prüfen, ob das Ziel nach mehr Chancengerechtigkeit mit der neuen Regelung erreicht wird und nicht eher das Gegenteil: Für Jugendliche, die unverschuldet viele Absenzen haben (zB. krankheits- oder quarantänehalber) wird die Lehrstellensuche erheblich erschwert. Im besseren Fall werden sie gezwungen, etwas Persönliches offenzulegen, das sie unter Umständen gar nie offenlegen wollten. Im schlimmeren (und eher eintretenden) Fall wird das Dossier direkt auf den Stapel «retour» gelegt.
Laut BKS erhält das Zeugnis durch die Änderung zudem eine höhere Aussagekraft. Sollte dies der Wunsch des Departementes sein, so müssten jedoch neben entschuldigten Absenzen auch Unterstützungsmassnahmen ausgewiesen werden (zB. Nachteilsausgleich, DAZ-/Legasthenie-Stunden). Damit hätte der Lehrbetrieb die vom BKS gewünschte «zusätzliche Information, die im Bewerbungsprozess thematisiert werden könnte» (Argumentation BKS). Das Ausweisen von Unterstützungsmassnahmen lehnt das BKS aber aus datenschutzrechtlichen Gründen ab. Es wäre also zu prüfen, ob überhaupt eine genügende gesetzliche Grundlage vorhanden ist, um solche besonderen Personendaten im Rahmen eines Zeugnisses zu erfassen. Warum die einen Jugendlichen mit der Änderung der Absenzenregelung zur Herausgabe von persönlichen Daten gezwungen werden und andere nicht, ist nicht erklärbar. Die Chancengerechtigkeit wird damit nicht erhöht, sondern vermindert.
Nicht nachvollziehbar ist, warum die Änderung ohne weitere Rücksprache eingeführt wurde, obwohl sich der Aargauische Lehrerinnen und Lehrerverband (alv) sowie die Verbände der Schulleiterinnen und Schulleiter (VASL) und der Schulpflegen (VASP) kritisch dazu äusserten. Ebenso erstaunt, dass die Kommission Bildung, Kultur und Sport BKS über die potentiell laufbahnprägende Änderung nicht informiert wurde. Zur Revision der Übertrittsverfahren führte der Regierungsrat im Jahr 2015 immerhin eine freiwillige Anhörung durch, um eine breite Diskussion zu ermöglichen.
Es ist inakzeptabel, dem Unterricht aufgrund eines konstruierten Grunds fernzubleiben. Dem Problem ist aber mit anderweitigen Massnahmen als der Ausweisung von entschuldigten Absenzen zu begegnen.