Regierungsrat auf dem (Irr-)Weg des geringsten Widerstands
Diesen Dienstag behandelte der Grosse Rat einige Vorstösse, die im letzten Herbst während des Grossratswahlkampfs eingereicht wurden. Der Umgang des notabene bürgerlichen Aargauer Regierungsrats mit bestimmten Forderungen ist, ich sage es einmal so: unerwartet, erstaunlich, überraschend.
- Eine Motion verlangte für Enteignungen von Kulturland bei Infrastrukturbauten eine Entschädigung mit dem dreifachen Schätzpreis. Der Regierungsrat bezeichnet diese Regelung als verfassungswidrig, führt detailliert weitere Argumente gegen das Anliegen aus – und nimmt die Motion als Postulat entgegen. Er will prüfen, wie er das Anliegen trotzdem erfüllen kann.
- Die linke Seite fordert die Prüfung der Einführung eines kantonalen Mindestlohns. In seiner Antwort äussert sich der Regierungsrat durchs Band weg ablehnend zu einem solchen Vorhaben, dennoch will er das Postulat entgegennehmen und zum Anliegen einen ausführlichen Bericht erstellen.
- Ein weiteres Postulat (es wird an der nächsten Grossratssitzung behandelt) fordert die Schaffung eines kantonalen Gesamtarbeitsvertrags im Gesundheitswesen. Auch dieses nimmt der Regierungsrat entgegen, obwohl er das Anliegen im Grundsatz ablehnt.
Was geht hier vor? Bereitwillig nimmt der Regierungsrat Anliegen (teilweise aus der linken Mottenkiste) zur Prüfung entgegen, die er als nicht umsetzbar, unerwünscht, schädlich für die Wirtschaft, ja sogar als verfassungswidrig erachtet. Mit Verlaub, warum soll die Verwaltung wertvolle Zeit mit der Erstellung von Berichten für Vorhaben aufwenden, von denen man erwarten darf, dass ein bürgerlicher Regierungsrat sie grundweg ablehnt? Das ist nicht nachvollziehbar. Mit der Strategie, ein Postulat formal entgegenzunehmen, um den Initianten den Wind aus den Segeln zu nehmen, begibt der Regierungsrat sich auf Irrwege. So werden auf einmal Anliegen salonfähig, die aus bürgerlicher Sicht klar zurückgewiesen gehören. Der Regierungsrat hat eine klare Haltung einzunehmen und dem Rat und der Öffentlichkeit seine daraus gefolgerte Handlungsempfehlung abzugeben. Nicht mehr und nicht weniger.
PS:
Eine sich selber „modern und zeitgeistig“ nennende und fühlende Fraktion – auf ihrer Homepage lese ich den Slogan „Liberale Wirtschaft als Standortvorteil“- stimmte dem Postulat zum Mindestlohn zu. Naja, da reibt man sich die Augen und fragt sich: Steht das L im Parteinamen in der Tat für LIBERAL? Wir warten nun gespannt auf die Abstimmung zum Gesamtarbeitsvertrag. Ob auch da der Inhalt nicht hält, was die Verpackung verspricht?